Ordnungswidrigkeitenrecht

 

Das neue Bußgeldrecht ab 28.04.2020

 

Ein wesentlich überarbeitetes Bußgeldrecht wird am 28. April 2020 in Kraft treten.

Obschon in den Medien dazu sicher eine Menge publiziert werden wird, bemühen wir uns nicht nur aktuell zu sein, sondern vor allem fundierte und verständliche Informationen bereit zu stellen.

 

Dem modifizierten Bußgeldrecht liegt vor allem (wieder einmal) der Gedanke einer asymmetrischen Behandlung verschiedener Verkehrsteilnehmer zugrunde. Das bedeutet, dass Verkehrsteilnehmer unterschiedlich behandelt werden sollen. Das stellt nach Meinung des Verfassers eine Untugend dar, die in immer mehr Rechtsgebieten Einzug hält. Auf Regelungen im Arbeitsrecht oder dem (Wohnraum-) Mietrecht sei verwiesen.

 

Nun also im Ordnungswidrigkeitenrecht, namentlich im Bußgeldkatalog.

 

Bis 2014 lag die Ahndung von geringfügigen Ordnungswirdigkeiten (Owi) bei bis zu 35€, seitdem bei 55€. Bis zu dieser Grenze waren sie ohne weitere Folgen, also Einträge im Verkehrszentralregister ("VZR" bis 2014), bzw. dem Fahreignungsregister ("FAER" seit 2014).

 

Am 28. April 2020 tritt nun eine weitere Novelle der StVO in Kraft. Wer dann gegen die Regelungen dieser geänderten Straßenverkehrsordnung verstößt und erwischt wird, muss mit neuen, teils ganz erheblichen, um nicht zu sagen mit drastisch gestiegenen Bußgeldern und weiteren Sanktionen zu rechnen haben. Vor allem wird nunmehr schon bei sehr geringen Geschwindigkeitsüberschreitungen sowohl ein Eintrag ins FAER wie sogar ein Fahrverbot verhängt werden. Nachstehend fassen wir die wichtigsten Änderungen zusammen

 

A) Neue Bußgelder bei Geschwindigkeits­überschreitungen

 

Mit dieser Novelle will der Gesetzgeber den Straßenverkehr "sicherer gestalten". Deswegen werden unter anderem Verstöße gegen die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit deutlich härter geahndet.
Bislang wurden geringere Überschreitungen um bis zu 20 km/h mit recht geringen Strafen geahndet.

Nun gelten für solche Bagatellen neue, weit höhere, Bußgelder. Die Regelsätze haben sich hier schlicht verdoppelt.

 

Neu ist auch, dass innerorts nun schon ab 21 km/h (bisher 31 km/h) zu schnell ein einmonatiges Fahrverbot verhängt werden kann und außerorts bereits ab 26 km/h (bisher 41 km/h).

 

Synopse (Gegenüberstellung):
a) Verstöße innerhalb geschlossener Ortschaften bis/nach dem 27.04.2020

alte Regelung innerorts (bis 27.April 2020)

Verstoß

Strafe

Punkte

Fahrverbot

            bis 10 km/h

      15 €         -            -

          11 - 15 km/h

         25 €

        -          -

          16 - 20 km/h

         35 €

        -           -

          21 - 25 km/h

        80 €

              1

        -

          26 - 30 km/h

       100 €

              1

     (ggf 1 M)

          31 - 40 km/h

       160 €

              2

      1 Monat

          41 - 50 km/h

       200 €

              2

      1 Monat

          51 - 60 km/h 

       280 €

              2

      2 Monate

          61 - 70 km/h

       480 €

              2

      3 Monate

        über 70 km/h

       680 €

              2

      3 Monate

 

 

neue Regelung innerorts (ab 28.April 2020)

Verstoß

Strafe

Punkte

Fahrverbot

            bis 10 km/h

      30 €

       -   

        -

          11 - 15 km/h

         50 €

       - 

        -

          16 - 20 km/h

         70 €

       -  

        -

          21 - 25 km/h

         80 €

            1

    1 Monat

          26 - 30 km/h

       100 €

            1

      1 Monat

          31 - 40 km/h

       160 €

            2

      1 Monat

          41 - 50 km/h

       200 €

            2

      1 Monat

          51 - 60 km/h 

       280 €

            2

      2 Monate

          61 - 70 km/h

       480 €

            2

      3 Monate

        über 70 km/h

       680 €

            2

      3 Monate

 

_______________________________________________________________

 

b) Verstöße außerhalb geschlossener Ortschaften bis/nach dem 27.04.2020

alte Regelung außerorts (bis 27.April 2020)

Verstoß

Strafe

Punkte

Fahrverbot

      bis 10 km/h

      10 €

           -

         -

     11 - 15 km/h

      20 €

           -

         -

     16 - 20 km/h

      30 €

           -

         -

     21 - 25 km/h

      70 €

           1

         -

     26 - 30 km/h

      80 €

           1

  (ggf 1 M)

     31 - 40 km/h

    120 €

           1

  (ggf 1 M )

     41 - 50 km/h

    160 €

           2

      1 M

     51 - 60 km/h

    240 €

           2

      1 M

     61 - 70 km/h

    440 €

           2

      2 M

    über 70 km/h

    600 €

           2

      3 M

 

 

neue Regelung außerorts (ab 28.April 2020)

Verstoß

Strafe

Punkte

Fahrverbot

     bis 10 km/h

        20 €

   

    11 - 15 km/h

        40 €

   

    16 - 20 km/h

        60 €

   

    21 - 25 km/h

        70 €

            1

 

    26 - 30 km/h

        80 €

        1

      1 Monat

    31 - 40 km/h

      120 €

        1    

      1 Monat

    41 - 50 km/h

      160 €

           2

      1 Monat

    51 - 60 km/h

      240 €

           2

      1 Monat

    61 - 70 km/h

      440 €

           2

      2 Monate

   über 70 km/h

      600 €

           2

      3 Monate

 

 

 


Kommentar
Wie sich daraus ersehen lässt, hat man in Berlin deutlich weitergehende Sanktionen als maßgebliche Intention im Sinn gehabt, die immer früher zum (zumindest zeitweiligen) Verlust der Fahrerlaubnis führen werden.
Daran ist im Hinblick auf die ohnehin allgegenwärtigen Geschwindigkeitsbeschränkungen und der permanenten Diskussionen über noch restriktivere flächendeckende Tempolimits unter Hinweis auf vermeintliche Umweltargumente leicht zu erkennen, dass es wohl weniger um Verkehrssicherheit, denn vielmehr um noch höhere Bußgelder (das gerade in den unteren Sparten der Überschreitung, also den in der Praxis massenweisen anfallenen Fällen) und nach unserer Meinung am Ende um Verkehrsverhinderung gehen dürfte. Das ist inzwischen auch hinlänglich bekannt und überall selbst bei gut und sehr gut ausgebauten Straßen zu sehen, die aus nur schwerlich nachvollziehbaren Gründen zu flächendeckenden Kriechspuren degradiert werden, ohne dass hier irgendwelche Verkehrssicherheitsaspekte ins Auge stechen würden.

 

Dass das alles trotz der weiter sinkenden Zahlen* an Unfällen mit schweren und schwersten Ausgängen umgesetzt wurde, lässt unschwer erkennen, dass es in erster Linie um Verkehrsverhinderung gehen dürfte.

 * https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/unfallstatistik-2019-2020-verkehrstoten/

 

 

B) Weitere Änderungen im StVO und Bußgeldkatalog

 

Neben den Modifikationen bei den Geschwindigkeitsverstößen werden noch eine ganze Reihe weitere Änderungen in Kraft treten, die in der täglichen Praxis zu beachten sind.

 

An dieser Stelle sollen diese zur Zeit lediglich aufgeführt werden. 

  • Rettungsgasse
    Wird im Stau unerlaubt eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge genutzt, kann das mit bis zu 320 Euro Bußgeld, einem Monat Fahrverbot und zwei Punkten im FAER (Fahreignungsregister, also in Flensburg), geahndet werden.
  • Fahrradfahrer
    Auf Schutzstreifen für Fahrradfahrer am Straßenrand darf nicht mehr gehalten werden - sonst drohen bis zu 100 Euro Strafe und ein Punkt.
  • Unerlaubte Nutzung von Gehwegen u.a.
    Auch die unerlaubte Nutzung von Gehwegen, linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen wird, statt bislang mit 25 Euro, mit bis zu 100 Euro Geldbuße geahndet.
  • Überholen von Fahrrädern
    Wer Fahrräder überholt, muss im Ort künftig mindestens 1,5 Meter Abstand halten, außerorts 2 Meter - bisher war lediglich ein „ausreichender Seitenabstand“ vorgeschrieben.
  • Parken an unübersichtlichen Kreuzungen
    Das Parken an unübersichtlichen Kreuzungen wird ebenfalls strenger bestraft. Wer sein Auto an einer unübersichtlichen Stelle parkt, zahlt 35 statt 15 Euro. Die Kosten für das Parken in einer Feuerwehrzufahrt steigen von 35 auf 55 Euro. 
  • Abstellen von Fahrzeugen
    Das unzulässige Abstellen von Fahrzeugen auf einem Behinderten-Parkplatz, aber auch auf für E- und Carsharing-Fahrzeugen vorgesehenen Parkplätzen wird mit einem Bußgeld von 55 Euro geahndet.
  • Parken oder Anhalten in zweiter Reihe
    Das Parken oder Anhalten in zweiter Reihe wird nun mit mindestens 55 Euro geahndet.
  • Behinderung von Einsatz- bzw. Rettungsfahrzeugen
    Bei Behinderung von Einsatz- bzw. Rettungsfahrzeugen, erhöht sich das Bußgeld auf 100 Euro, zudem wird es mit einem Punkt im FAER belegt.
  • Nutzung einer Blitzer-App
    Das Nutzen einer Blitzer-App (während der Fahrt) zieht 75 Euro Bußgeld sowie die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister nach sich.
  • Verursachen von unnötigem Lärm und Abgas
    Das Verursachen von unnötigem Lärm und Abgas, zum Beispiel beim Motor aufheulen lassen, sowie das unnütze Hin- und Herfahren kann bis zu 100 Euro kosten.
  • Wegfall der 2 x26-Regel
    Die bisherige Regel entfällt, nach der der betroffene Kfz-Führer, der zweimal innerhalb eines Jahres mit jeweils mindestens 26 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung auffällig geworden ist und deshalb mit einem separatem Fahrverbot belegt wurde. Denn außerorts greifen die neuen Strafen (95 Euro und Fahrverbot für einen Monat) ab einer Übertretung von 26 km/h - also bereits bei nur einem (ersten) Verstoß.


Kommentar

Mag sich nun jeder selbst ein Bild davon machen, ob irgendeine oder gar alle dieser Änderungen sinnvoll sind.

Angesichts all dieser Änderungen besteht die unbedingte anwaltliche Empfehlung zum Abschluss einer Rechtsschutzversicherung jetzt erst recht.

Denn musste bislang zur Ahndung eines "Rasers" eine Überschreitung von 31 km/h (innerorts), bzw. 41 km/h (außerorts) vorliegen, um ein Fahrverbot zu von einem Monat zu erhalten, reichen nun bereits Tempi aus, die wirklich jedem motorisiertem Verkehrsteilnehmer passieren können. Da erfahrungsgemäß bei der Verhängung eines Fahrverbotes auch oftmals berufliche Existenzen auf dem Spiel stehen, muss man sich unbedingt gegen solche Maßnahmen verteidigen können. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, dass viele Amtsgerichte solche Verfahren als "Massenverfahren" abtun und Einwendungen der Verteidigung teilweise gar nicht erst, teilweise allenfalls halbherzig prüfen. Damit verdient der gesetzlich zugesicherte Rechtschutz leider oft nicht den Namen.

Ähnliches gilt nach unserer Erfahrung auch oftmals für die Oberlandesgerichte, die als Rechtsmittelinstanz für die Amtsgerichte in ihrem Bezirk richtungsweisend sind. Bei den OLGs muss vor Durchführung der Überprüfung die sogenannte Rechtsbeschwerde erst einmal überhaupt zugelassen werden - was bei einem Fahrverbot allerdings regelmäßig der Fall ist.

Dies alles ohne die Unterstützung einer Rechtschutzversicherung machen zu wollen, erscheint in finanzieller Hinsicht zumindest wagemutig...